19. Präventionsfrühstück
Schrauben locker?
Die Jugendzeit als Chance für neue Verbindungen.
"Schönen guten Morgen!" wünschte LH-Stv. Dr. Heinrich Schellhorn wie schon oft zuvor allen Anwesenden - diesmal eine Begrüßung mit besonderer Bedeutung, war es doch der Tag nach einem ausgedehnten Orkantief. Dieses hatte unseren Vortragenden leider an der Anreise nach Salzburg gehindert - nicht jedoch, uns seine Expertise via Skype-Übertragung zu vermitteln, eine neue und letztlich lohnende Erfahrung, hopefully.
Professor Dr. Karl Heinz Brisch ist Kinder- und Jugendlichenpsychiater und Psychotherapeut, ehem. Abteilungsleiter am Haunerschen Kinderspital in München sowie Buchautor; in Salzburg Vorstand des Forschungsinstituts für Early Life Care an der PMU.
Große internationale Bekanntheit erlangte er als "der Bindungsforscher", der durch Studien mit (Klein-)Kindern die eminente Bedeutsamkeit verlässlicher früher Bindung als Schutzfaktor nachwies und anhand zahlreicher Fallbeispiele veranschaulichte, wie unterschiedlichste Symptome bei Kindern mit der Qualität früherer Bindungserfahrungen zu ihren Eltern und engen Bezugspersonen zusammen hängen.
In seinem freien Vortrag ging Prof. Brisch auf folgende Aspekte des Tagesthemas ein (der Kürze wegen hier in Stichworten): Bekannt ist die allgemeine Vorverschiebung der Pubertät aufgrund "guter Versorgung"; sie ist auch bei Kindern nachgewiesen, die frühem Stress ausgesetzt waren.
In der Pubertät verschalten sich neuronale Netzwerke neu, für Jugendliche tun sich dabei Entwicklungsfenster auf, vergleichbar einem Umzug (erstmal chaotisch, auch aufregend) - oder dem Bild des Bootsmodells entsprechend. Identitätsfindung ist die größte Herausforderung, der "Brave" sich z.B. durch Magersucht zu entziehen versuchen, andere dem Stress mittels Alkohol- und Drogenkonsum begegnen (vgl. Buchauszug).
Erkrankungen wie Depression, psychotische Phasen, psychosomatische Auffälligkeiten, auch frühe Schwangerschaft und besonders Suizidalität sind Risiken im Jugendalter.
Die Frühen Hilfen zeigen gute Effekte und wirken. Aber es braucht auch für die Jugendjahre spezifische Anlaufstellen, die intensive Beratung vor Ort leisten können (Psychotherapie wirkt zwar, aber nicht so rasch und nicht im Krisenfall verfügbar).
Problematische Entwicklungen sieht Prof. Brisch u.a. im steigenden Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen (was in manchen Fällen zu Altersdiabetes mit 16 Jahren führt) und vor allem der Computerspielsucht: Spieleprogrammierer zielen darauf ab, die jungen Spieler*innen ans Spiel zu binden; das "gelingt" insofern, als der stationäre Entzug heftig ausfallen kann, eine schlimme Erfahrung für junge Menschen.
Therapie und Pädagogik gegen Windmühlen also? Keinesfalls, Prof. Brisch möchte die Gäste aufbauen und Mut zusprechen, weiterhin auf Beziehung zu vertrauen!
Vgl. Fachartikel "Beziehung wirkt!" >>
Zum Diskussionsmotto "In schwierigen Gewässern" erhielten wir einen Praxisbeitrag von Kurt Lackner, Fachbereichsleiter Kinder+Jugendhilfe & Flucht bei Rettet das Kind Salzburg, d.s. acht Einrichtungen für Kinder und Jugendliche zwischen 6-21 Jahren.
Als Kernaufgabe sieht es Kurt Lackner, innerhalb des Zwangskontextes der Betreuung die Beziehung zu den jungen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen; das bedeutet Annehmen, Aushalten was ist, Abbrüchen vorbeugen. Neu im Land Salzburg ist die Zusatzbetreuung durch zusätzliches Personal; sehr gefragt wären außerschulische kostengünstige Sport-, Freizeit- und Brauchtumsangebote für die Kids, um ihnen Normalität zu vermitteln, das gilt auch für Urlaube. Insgesamt sind "sichere Häfen" als Anlegestellen fürs Erwachsenen- und Berufsleben zu schaffen.
Mag. Simone Raab, Leiterin von Psycholog. Dienst und Psycholog. Familienberatung der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg ergänzte, dass an übergreifenden Kooperationen sowie Betreuungsmodellen gearbeitet würde, denn auch Wohngemeinschaften sind nicht für jede*n passend. Also braucht es differenzierte Angebote, denn die Boote sind mit unterschiedlicher Ausstattung und Kraft unterwegs, mitunter gibts Sturm, manche benötigen (mehr) Navigierhilfe (erfahrene Lotsen und Seekarten) für die Fahrt nach vorne; andere wieder rudern schonmal zurück - es gibt Beispiele von "mehreren Pubertäten", so waren sich die Fachleute einig.
Gastbeiträge kamen von DSA Renate Heil von der Kinder- und Jugendhilfe des Landes zum Thema der Care Leavers sowie von DSA Sonja Schachtner von Pro Juventute mit dem Hinweis auf die Filmvorführung des berührenden Films "Systemsprenger" am 24.3. um 18.00 Uhr in Das Kino, anschl. Diskussion mit Expert*innen.
Das Team der Fachstelle Suchtprävention bedankt sich bei allen Gästen und Beteiligten für das Interesse und wünscht sich weiterhin so viel Verbundenheit!
Infos & Organisation:
Mag. Nicole Rögl-Höllbacher
Glockengasse 4c, 5020 Salzburg
Tel.: 0662-84 92 91-41, M: n.roegl@akzente.net